Der Club der Mörderinnen Teil 3 - Häusliche Gewalt

Der Club der Mörderinnen Teil 3 - Häusliche Gewalt

«Also gut. Jetztbin ich wohl jetzt an der Reihe.» Tief atmete die elegante schwarze Spinne mit dem kugeligen, glänzenden Leib aus. Sie bewegte sich grazil auf ihrem Netz bis zur Sitzfläche ihres Stuhls. Ihre langen Beine stiegen anmutig über die letzten Klebefäden.Dann schritt sie bis zum Rand der Sitzfläche. Ihr Blick sahins Leere. Eine tiefe Traurigkeit ging in diesem Moment von ihr aus.Siebegann zu erzählen.

Ihre rauchige Stimme mit dem osteuropäischen Akzent breitete sich im in der Runde aus, wie eine angenehme weiche Decke. Sie umhüllte die anderen Teilnehmerinnen und nahm sie mit auf ihre Reise.

«Ich bin noch recht jung für eine Witwe, denken sie. Und sie haben sicherlich recht. Ich lebe noch nicht lange hier. Meine Mutter kam mituns Kindern aus Rumänien. Ein so wunderschönes Land. Herrliche grosse Graslandschaften, alte Schlösser und felsige Schluchten. Die Abendsonne tauchte am Ende jeden Tages alles in ein rotgoldenes Licht. Und der Duft, der Duft … würzig und anregend.» Sie strich sich mit einem Bein träumerisch über den Kopf. «Doch es gefällt mir auch hier.» Sie spazierte am Stuhlrand entlang. «Die Männer sind auch nicht schlechter, als anderswo». Die schwarze Witwe blies in die Luft und wirbelte die Staubkörnchen durcheinander.

«Ich hatte nie an die ewige Liebe geglaubt. Das hatte mir meine Mutter schon früh beigebracht. Auch sie hatte kein Glück mit den Männern. Und doch… . Man hofft ja immer, es könnte bei einem selbst ja anders sein.» Sie schnaubte verächtlich. «Und es war bei mir anders. Leider nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte.» Sie schlug die vielen Augen nieder und schüttelte langsam und ungläubig den Kopf. Sie konnte ihre eigene Naivität heute nicht mehr nachvollziehen. Sie blieb stehen und blickte ins Dunkel. Ihre Stimme war nur noch ein leises Raunen.

«Ich liebe diese Dunkelheit. Beutefang in lauen Nächten. Wenn das trockene Gras im Wind raschelt, Käuzchen schreien und der Mond nur ein fahles Licht wirft.» Sie blickte die anderen Mörderinnen einzeln an. Ihr Gesicht verzog sich zu einem nachdenklichen Lächeln. Sie war so schön. Ihr Leibglänzte im schwachen Licht der Stehlampe und die 13 roten Flecken leuchteten wie von einer inneren Energiequelle gespeist. «Waren wir nicht alle einmal jung und naiv, haben Fehler gemacht, haben blauäugig an die grosse Liebe, an ein harmonisches Familienglück an eine glorreiche Zukunft geglaubt? Mir ging es da nicht anders. Ich hatte gerade mein Netz in Bodennähe fertiggestellt. Zwischen trockenen Gräsern. Es war kein besonders gutes Netz, aber es war ausreichend. Heute kann ich es natürlich besser.» Sie zupfte prüfend an den Fäden ihres Netzes, um ihrerAussage Nachdruck zu verleihen.

«Naja, damals war das Netz eben noch nicht so gut. Ich hatte auch andere Dinge im Kopf. Wie das so ist bei jungen Dingern.» Sie lächelte reizend in die Runde. «Mein Netz würde schon gut genug sein, dachte ich. Ich wusste, worauf die Männer achten. Und ich hatte schon bemerkt, dass dieseGegend von Männern nur so wimmelte. Einer, ein schmächtiger kleiner Geselle, hatte einige Tage zuvor versucht mich anzumachen. Er sprang ohne vor Warnungauf mich drauf. Ein widerlicher Kerl. Speichelte mich ein und kletterte an mir herum. Ich konnte ihn nach einigem Gerangel abwerfen. Verletzt an Körper und Ehre ging er wütend auf mein Netz los und zerstörte es fast völlig. Ich war ausser mir. So viel Mühe hatte ich da rein gesteckt. Und nun musste ich von vorn anfangen.Das neue Netz war kaum besser als das alte. Ich benetzte die Seidenfäden mit Pheromonen. Und wartete, was dann passierte. Hoffentlich taucht dieser Typ nicht noch mal auf. Es gab doch unzählige Männer in dieser Gegend. Da musste doch einer dabei sein, der perfekt war. Und ja, mit den Duftstoffen lockte ich in kurzer Zeit eine Menge stattlicher Männer an.

Sie waren alle beträchtlich kleiner als sie selbst, dochdie meisten sahen sehr sportlich aus. Und sportlich mussteer schon sein, wenn er bei mir etwas erreichen wollte.» Die Spinne machte eine Pause. Unddrehte ihre leuchtenden, roten Flecken ins Licht. Sie zuckte mit ihrem perfekten Kugelkörper. Ja, sie wusste, wie man Männer anlockte. Das war hier jedem klar. Aber was war dann schief gelaufen?

Langsam glitt sie mit einem Bein an ihrem Netz entlang. «Einer stach besonders hervor. Er hatte einen tollen braunen Körper mit hellen Streifen. Ich war sofort in ihn verschossen. Wie blind man doch nur sein kann. Natürlich war auch der Typ dabei, der Tage zuvor bei mir randaliert hatte. Demwollte ich auf gar keinen Fall eine weitere Chance geben. Also tat ich alles um die Aufmerksamkeit meines Auserwählten auf mich zu lenken. Was auch nicht schwer war. Ich bot ihm Gelegenheit, sich mein Netz näher anzusehen. Langsam kam er zu mir. Betastete das Netz an mehreren Stellen und liess mich dabei keinen Moment aus den Augen. Er verstand meineBotschaften und kletterte auffordernd ins Netz.

Und er blieb. Wir hatten eine schöne Zeit. Ich wuchs heran und häutete mich ein letztes Mal. Darauf hatte er gewartet. Nun war ich ausgereift und eine ideale Partnerin für ihn. Doch leider erkannte ich zu spät, was er vorhatte. Er umgarnte mich und zwar wortwörtlich. Er fesselte mich in meinem eigenen Netz. Umwand mich wieder und wieder. Ich war wie gelähmt. Was war nur aus meinem Mann geworden? Wo war der romantische, der zuvorkommende Mann hin?

Ich konnte es nicht glauben. Er kletterte über mich drüber, hin und her, lud Sperma in meine Samensäcke ab, immer wieder. Es war furchtbar. So ausgeliefert zu sein, so machtlos. Ich versuchte ihn abzuwerfen, versuchte mich zu befreien. Wand mich, warf mich hin und her. Versuchte ihn abzuschütteln. Zerrte und zuckte mit meinen Beinen. Da liessen schliesslich seine Fäden nach. Ich konnte ein Bein befreien. Dann das nächste. Na warte.Ich werde dich lehren, was es bedeutet mich so zu behandeln, dachte ich. Ich stürzte mich sofort auf ihn. Nun kam er mir klein und ausgezehrt vor. Nicht mehr sportlich, nicht mehr attraktiv. Ich fiel wütend über ihn her. Ein einziger Biss genügte. Er zuckte noch kurz und sah mich mit geweiteten Augen an, als wollte er sagen, ‹das war es wert›. Dann lag sein lebloserKörper neben meiner getrockneten letzten Häutung, zwei leere Hüllen.

Ein einziger Biss hatte genügt.», flüsterte die schwarze Witwe noch einmal, dannzog sie sich in den trichterförmigen Teil ihres Netzes zurück und verharrte dort still.