Schwarzbier und Sauerbraten

Schwarzbier und Sauerbraten

„Juhu“, tönt es über den Gartenzaun. Eine schmale Hand mit mehr Ringen am Finger als Altersflecken auf dem Handrücken winkte ausdrucksstark über den verblichenen Lattenzaun. Was hatte der Blauregen nur gegen ihn? Anderswo verschlang er ganze Häuserblocks und bei ihm im Garten führte er einen geheimen Feldzug gegen die Abschottung vom Nachbargrundstück, dachte Kommissar Rüdiger Rotschild, als seine Nachbarin überschwänglich zu ihm herüber winkte.
„Na, ihr Blauregen kommt wohl auch nicht mehr in Gang? Sollte der nicht schon längst 3 Meter hoch sein? Aber wie schön, dass er hier noch etwas Licht in ihren Garten lässt. Nicht wahr. So kann man sich wenigsten ab und zu übern Zaun zuwinken. Finden sie nicht auch?“ Die schrille Stimme von Luise Milchbier bohrte sich in seinen Kopf. Er drehte sich nur zögernd zu ihr um. War ihm dieses Weib doch so zu wider.

„Frau Luise.“, sagte er langgezogen. Das er sie mit dem Vornamen anredete hatte sie einzig dem Umstand zu verdanken, dass er ihren Nachnamen einfach nicht ertrug. Luise Milchbier sah dies jedoch als zaghafte Annäherung seinerseits. Das höfliche „Frau“, welches er stets voraussetzte, fand sie charmant. Ein Galant durch und durch. Sie hatte ihn einige Zeit beobachtet, wie er da kopfschüttelnd vor seinem Gartenteich hockte und irgendetwas vor sich hin brummte.
Als er nun aufgestanden war, um ins Haus zu gehen, hatte sie ihre Chance gewittert. Sie brachte ihre Brüste in Angriffsstellung, rieb ihre Lippen gegeneinander, um die Lippenstiftreste besser zu verteilen und ging forschen Schritts auf den Gartenzaun zu. Dabei rutschte ihr ihre geblümte Bluse von den Schultern, was nicht unbedingt unbeabsichtigt war, und gab den Blick auf ihre braune Haut frei.
„Ist etwas mit ihrem Teich nicht in Ordnung? Ich frage mich das nur, weil sie schon 20 min. nachdenklich am Teich hocken. Oder haben sie etwas entdeckt? Der wird der Kommissar wach, nicht wahr?“, bei diese Worten stieg sie auf die wie zufällig am Zaun gestapelten Steine. Sie schwang eines ihrer dürren Beine über den Gartenzaun. Und mit einem Satz stand sie auch schon im Staudenbeet ihres Nachbarn.
„Rüdiger, sie müssen auch mal abschalten. Dienst ist Dienst und Wochenende Wochenende.“ bei diesen Worten berührte sie fürsorglich seinen Arm. Ihre Augen waren voller Mitgefühl für seinen schweren Beruf.
„Kommen sie, ich mache ihnen erst einmal eine Tasse Kaffee und dann erzählen sie mir, was ihnen auf dem Herzen liegt.“
Rüdiger Rotschild wusste nicht was passiert war. Wie war diese, diese, diese unsägliche Person in seinen Garten gekommen? Wieso führte sie ihn am Arm, wie einen dementen Alten, der aus dem Heim abgehauen ist?
Gut, es gab mal eine Zeit, als die Scheidungspapiere seiner Frau ins Haus geflattert waren, da hatte er sich vorgestellt seine Nachbarin würde nachts heimlich bei ihm einsteigen und gemeinsam mit ihrer Tratschfreundin Julia Sauerteig ihn verführen. Allerdings sahen die beiden Frauen in seiner Fantasie eher wie Unterwäschemodels aus und ihre Namen klangen himmlisch in seinen Ohren, Beate Schwarzbier und Barbara Sauerbraten. Beate und Barbara, Schwarzbier und Sauerbraten….. Aber alles nur ein Traum.
„So, da sind wir. Oh sie haben aber auch eine schöne Terrasse, warum haben wir uns nicht schon längst hier zu einem Kaffee getroffen? Rüdiger.“ Luise schlug dem Kommissar geck auf den Arm. Dann suchte sie nach ihrer Fassung und setzte sich auf den grossen Korbstuhl. Sie rückte sogar ihre Bluse zurecht. Nicht, dass sie nun mehr Haut bedeckte. Aber sie lies nun wieder ordentlich über die Schultern drapiert einen tiefen Einblick in ihr Dekolletee werfen.
Rüdiger räusperte sich. Er musste sie wieder los werden, aber wie? Er setzte sich kerzengerade in seinem Stuhl zurecht. „Frau Luise.“ „Ach, lassen sie doch das Frau weg, Rüdiger. Wir sind doch ganz privat.“, dabei lächelte sie verschmitzt und drehte ihren Kopf leicht zur Seite. „Frau Luise, es ist so. Ich habe so eben etwas schreckliches entdeckt. Aber im Moment kann ich natürlich noch nicht darüber reden. Während der Ermittlungen sind mir da quasi die Hände gebunden.“ Er hob seine Hände über den Tisch, wobei sie sich an den Handgelenken berührten.
„Nein, etwa ein Verbrechen?“ , fragte Frau Milchbier erschrocken und legte beherzt ihre Hand auf die Brust.
„Ich weiss es noch nicht. Wirklich ich kann nicht darüber reden.“, nun wanderten Rüdigers Blicke über die dürren Finger von Frau Milchbier, die noch immer auf deren Dekolletee ruhten.
„Aber wenn es sie beruhigt, ich glaube nicht, dass wir in unmittelbarer Gefahr sind. Es ist nur,…..“
„Ja,...“
„Es ist,….“
„Ja!“
„Also, es wäre besser, wenn sie...“ Frau Milchbiers Busen bebte bei jedem „Ja“ und ihr Atem ging laut und heftig.
„Also Luise, ich darf doch Luise sagen?“, fragte Rüdiger Rotschild nun ganz Kommissar. Und tätschelte jetzt ihren Arm. Luise nickte erregt.
„Es wäre, angesichts der Vorkommnisse besser, wenn sie einige Tage im Haus blieben. Meiden sie Kontakt zu anderen und halten sie sich von den Fenstern fern. Ich gebe ihnen Bescheid, wenn die Sachlage geklärt ist.“
Nun war es der Kommissar, der die verwirrte Frau durch den Garten führte und über den Zaun half. Luise Milchbier blieb in ihrer Terrassentür stehen und blickte sich noch einmal nach ihrem Wohltäter um. Der nickte nur zu stimmen und schloss kurz bestätigend die Augen.
Als sie ihre Terrassentür hinter sich fest verschlossen hatte, ging Luise ins Badezimmer um sich die Hände zu waschen. Was war das nur für ein merkwürdiger Geruch, der von ihrem Nachbarn ausging? Sehnsüchtig blickte sie noch einmal verstohlen durch die Gardinen zum Nachbargarten.
Rüdiger Rotschild lag versteckt hinter seinem Rosengitter auf der Terrasse und schwelgte in Träumereien. Durch die Luft zog der Geruch von Schwarzbier und Sauerbraten. Er atmete tief ein. Das wird ein entspanntes Wochenende.