Die Weihnachtskatze Auguste
Es war ein kalter Winter. Schon im Oktober waren alle Blätter von den Bäumen gefallen und eine blasse Wintersonne schien durch die kahlen Äste. Doch sie vermochte kaum die Tage zu wärmen. Und schon bald blies ein eisiger Wind übers Land.
In dem kleinen Haus, ganz am Rande des Dorfes, lebte eine nicht mehr ganz so junge Frau mit ihrem Mann. Sie hatten zwei Kinderchen und waren trotz des genügsamen Lebens, das sie führten, recht zufrieden. In der kleinen Küche stand ein alter Herd und ein kleines Feuer wärmte die Stube.
Es ging schon auf Weihnachten zu, da bemerkte der Mann einen sehnsüchtigen Blick in den Augen seiner Frau.
„Weib, was schaust du so sehnsüchtig, als gäbe es da draußen in dunkler Nacht eine heiße Flamme an der du dich wärmen möchtest?“
„Ach mein lieber Mann“, sprach die Frau,“ Wir haben's ja immer genügsam gehalten und mir brennen keine großen Wünsche im Herzen. Doch könnte ich mir eines nur erfüllen, wäre es ein schöner fetter Weihnachtsbraten.“
Der Mann hörte seiner Frau zu und verstand wovon sie sprach. Denn auch ihm gelüstete es in der Weihnachtszeit nach einem schönen knusprigen Braten. Früher, als er noch ein Knabe war, briet seine Großmutter eine fette Gans zum Weihnachtsfest. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Der Hof auf dem er einst lebte ist niedergebrannt und verlassen. Kein einzig Tier gab es mehr. Nun lebte er mit seiner Frau, die zwar schön, aber arm war, in diesem kleinen, schiefen Häuschen und sie hatten grad genug zum Leben.
Die Weihnacht war zwar eine besondere Zeit, doch gab es nicht viel für sie. Geschenke für die Kinder wurden selbst gebastelt und zu Essen gab es, was die Frau durch ihre Näharbeiten von der Bäuerin bekam. Ein paar Eier, etwas Mehl und ein paar Äpfel, daraus konnte man dann Eierkuchen mit Apfelkompott kochen. Das war zwar sehr schmackhaft, doch für Weihnachten... Wie schön wäre da nicht ein Gänsebraten, gerade so wie früher, dachte sich der Mann. Er überlegt, wo er eine Gans bekommen konnte und wie er sie bezahlen sollte. Doch es fiel ihm nichts ein. Die fetten Gänse der Bäuerin waren viel zu teuer. Und so, in Gedanken an die Gans versunken, lief ihm eine Katze über den Weg, als er aus dem Wald vom Holzfällen kam. Diese Katzen, dachte er, überall laufen sie einem über den Fuß und bringen einen noch ins stolpern. Und gerade als er dies dachte, stürzte er auch schon zu Boden. Als er seine Nase aus dem nassen Schlamm des Waldweges hob, umspielte ein kleines dürres Kätzchen seinen Kopf. Es mautzte und schmiegte sich an ihn. Er wollte gerade drauf los schimpfen, da stieg ihm ein Duft von gebratener Gans in die Nase. Konnte das sein? Wer brät denn jetzt schon seine Festtagsgans? Sind es nicht noch 14 Tage bis zum Heiligen Abend? Doch der Duft ließ ihn inne halten und er besah sich das Kätzchen. Es war recht klein und dürr, doch ohne Fell, könnte es einen kleinen Braten abgeben. Eine kleine Gans. Seine kleine Gans. Seine Weihnachtsgans Auguste. Und da leuchteten seine Augen auf und er sah schon die verzückten Gesichter seiner Familie, wenn ein richtiger Braten auf dem Tisch steht.
Und so nahm er das Kätzchen unter den Arm, versteckte es in seiner weiten Jacken und ging nach Hause. Leise öffnete er die Tür und schlüpfte hinein. Auf Engelssohlen schlich er auf den Dachboden, den sie nur selten nutzen. Dort versteckte er das kleine Fellbündel. Er breitete eine Decke aus und brachte ihm Wasser und ein paar Brotkrumen nach oben.
Am Abend, als die Familie beim Abendessen saß, sprach er zu seinen liebsten.
„Dieses Weihnachten wird ein ganz besonderes Fest. Ihr ward alle sehr brav gewesen und da hat sich der Weihnachtsmann eine Überraschung ausgedacht.“ Doch bevor er weiter reden konnte, brach ein wildes Durcheinander aus. Die Kinder übertönten sich gegenseitig, was es wohl sein könnte und ihre Fantasie beflügelte sie zu riesigen Luftschlössern. Seine Frau schmiegte sich schnurrend an ihn und fragte was er sich wohl für sie ausgedacht habe. Doch auch ihr wollte er die Überraschung noch nicht verraten, denn sie sollte natürlich nicht erfahren, dass die vermeintliche Weihnachtsgans eigentlich ein Kätzchen war.
Einige Tage schaffte es der Mann das Kätzchen auf dem Dachboden geheim zuhalten. Doch die Tage waren trüb und regnerisch und der Frau blieb nichts anderes übrig als die Wäsche zum Trocknen auf dem Dachboden aufzuhängen. Ihr Mann war im Wald, holzfällen und die Kinder saßen am Küchentisch und bastelten Papiersterne.
Als sie die Bodentür öffnete, schlüpfte das Kätzchen so flink hinaus, dass die Frau es zunächst nicht bemerkte. Auf dem Dachboden war es kalt und so beeilte sich die Frau mit ihrer Arbeit. In einer Ecke lag eine Decke am Boden, die sie aufhob und sich um die Schultern legte. Neben der Decke stand ein leeres Schälchen. Sie wunderte sich zwar, dachte aber nicht weiter darüber nach. Sobald sie fertig war, mit dem Wäsche aufhängen, stieg sie schnell die Treppe in die warme Stube wieder hinab. Die Kinder lachten und tobten in der Küche. Was war nur geschehen? Sie war nur wenige Minuten weg gewesen und nun waren ihre Kinder außer Rand und Band. Die Küche glich einem Schlachtfeld, auf dem Tisch türmte sich rotes und goldenes Geschenkpapier und Schleifen lagen zwischen den Papiersternen und dann war da noch etwas. Ein kleiner plüschiger Schwanz schaute aus dem Papier heraus.
„Mama, Mama, schau mal wer da gekommen ist“, riefen die Kinder vergnügt. Und die Mama schaute. Unter dem Geschenkpapier versteckte sich ein kleines freches Kätzchen.
„Na, wo kommst du denn her?“, fragte die Frau , als sie es vorsichtig in ihre Schürze hob. Dort kuschelte sich das Kätzchen sofort ein. Da fiel der Frau die Decke und das Schälchen auf dem Dachboden wieder ein. Ihr Mann musste wohl das Kätzchen dort oben versteckt haben, um es ihnen an Weihnachten zu schenken. Ja so war es sicher. Nun ja, da kann man nun nichts mehr dran ändern. Das Kätzchen war entwischt. Da kam die Überraschung eben ein paar Tage früher. Die Kinder spielten den ganzen Nachmittag mit dem Kätzchen und als der Mann am Abend nach Hause kam, stürzten sie sofort auf den Vater und fielen ihm dankbar um den Hals.
Der Mann wusste gar nicht wie ihm geschieht, bis er auf der Küchenbank das Kätzchen sah. Mürrisch besah er sich das kleine Ding. Er begriff, dass die Kinder es für die versprochene Überraschung hielten, was ja auch stimmte. Doch nun war die Sache anders.
Den Abend saß die Frau bei ihrem Mann, streichelte ihm das schon ergraute Haar und säuselte ihm ins Ohr, dass das wohl die schönste Weihnachtsüberraschung sei, die er machen konnte.
Der Mann brummte nur und träumte in dieser Nacht von einer dicken fetten Weihnachtsgans.